(Urborianische Geschichte, Geschichten und Gedichte)

  1. Urborianische Geschichte und Geschichten
    1. Zur urborianischen Religion
    2. Vom Cas Casan und den Blutgarthim
    3. Über Yalia und Tredai
    4. Die Hexe von Borian
  2. Urborianische Gedichte
    1. nairn d’arrachtairar gorguair
    2. nairn lecgethair ti bathlanga

(Kind)

Urborianische Geschichte und Geschichten

Zur urborianischen Religion

„Insgesamt erscheint es so, als hätten die alten Borianim an ein göttliches Schöpferpaar (Cismeat und Víltanu) geglaubt, die aus sich die Sümpfe geboren hätten. Zugleich mit diesen hätten sie »die drei Kräfte« ins Leben gerufen: eregian (die Welt), osan (den Tod) und caiporu (das Leben). Osan seinerseits rief baltésa als Vollstreckerin des Todes in diese Welt, während caiporu die Frouwe yalia mit der Sorge um die Lebenden betraute. Eregian sollte aber durch die Gelbe Schlange Cay-Y-Em gestaltet werden. Daher heißt es heute bei den Baltésgarim, dass sie die Welt erschaffen habe.

Osan wird schließlich als der Gründer Osanias genannt, einer Stadt der Toten inmitten der Sümpfe des Lebens. Baltésa habe Baltés’agar geboren, eine Stadt der Krieger in einem Reich des Friedens, und Eregian habe die Vermählung seiner Mutter Cismeat mit ihrem Sohn Eraim, dem ersten Kaiser der Borianim, versprochen. So sei Cismeat in Gestalt der Weltenhexe Yrramis auf Deren hinabgestiegen, um hier die heilige Zeremonie zu vollziehen.“

 

„Über die Religion der Hohen Sieben. Ein notwendiger Bericht über die Urgründe des Seins und den Sinn der Lebenden“ von Tubhan Barando. Frühneuborianischer Octavo aus der Zeit um 300 v.S.N. Inhaltlich ist diese Schrift sehr umstritten.

 

Vom Cas Casan und den Blutgarthim

Der berühmten Sage vom „Ungeheuer von Gorgua“ zufolge war der Cas Casan eine in den Sümpfen lebende Kreatur mit breiten Schultern, strähnigem Haar und schleimigen Fingern.

Der Sage nach habe er im Wasser gelauert, um sich dann unbemerkt Tredai, dem Verlobten Yalias, zu nähern und ihm dann mit seinen Fingern die Kehle zuzudrücken. Dabei habe er sich der asfratheanischen Sprache bedient. Überliefert sind die Worte „wa’nac morguraith“, deren genaue Übersetzung ist jedoch umstritten.

Da beschrieben wird, wie Yalia wenige Minuten nach der Ermordung die blutleere Leiche ihres Verlobten aufwand, ist davon auszugehen, dass der Cas Casan sich vom Blut seiner Opfer genährt hat.

Die Sage berichtet ferner von dem Angriff eines Blutgarths auf Yalia. Dieses Wesen scheint in einem tiefen Sumpfloch zu leben. Er wird als 4 Schritt groß beschrieben, mit vier Armen und mit langen Spitzen Eckzähnen. Beständig habe er Schleim abgesondert. Dort, wo dieser auf den Sumpf tropfte, fing dieser zu kochen an,

Der Blutgarth habe mit vier Cimiterren gekämpft, angeblich Schwertern eines in der Wüste lebenden Volkes der Ygahrrdéer.

 

Dendaran Szemanto „Mythos und Wahrheit. Was wir über Gorgua und die Gorguaren wirklich wissen.“ 57 n.S.N. Gedruckter Quarto von 80 Seiten.

Über Yalia und Tredai

Die Sage beschreibt Yalia als die Verlobte des vom Cas Casan ermordeten Tredai. Nimmt man die Geschichte wörtlich, so spricht vieles dafür, dass Yalia aus einer Fischerfamilie gekommen sei. In ihrem Dorf habe man schon viele Geschichten über den Cas Casan gehört, bevor schließlich auch Tredai von diesem ums Leben gebracht wurde.

Über ihr Äußeres wird wenig gesagt. Sie habe braune Augen gehabt und entstamme dem Volk der Gorguaren.

Es wird beschrieben, wie sie sich nach dem Tode ihres Verlobten entschloss, den Cas Casan, bewaffnet unter anderem mit dem Dolch ihrer Mutter, zu jagen. Motivation scheint hier jedoch gewesen zu sein, dass sie ihr Dorf vor dem Ungeheuer schützen wollte und nicht Rache für ihren nunmehr getöteten Vermählten.

Die Sage legt nahe, dass Yalia noch bei ihren Eltern gelebt habe und dort sogar ein eigenes Zimmer gehabt habe. Das spricht dafür, dass die Familie einen gewissen Wohlstand gehabt haben muss.

Wiederholt werden Stoßgebete Yalias an Lavian erwähnt, ohne dass diese Gottheit näher beschrieben wird. Ferner wird von Gebeten an eine Göttin namens Javiana und „an all die anderen Sumpfgeister und Totengötter“ berichtet, was dafürspricht, dass sich hinter Javiana eine Todesgöttin verbirgt. Die Überlieferung legt aber auch nahe, dass Yalia eine Geweihten-Anwärterin gewesen sei und ihre Gottheit ihr die Macht gegeben habe, den in der Sage beschriebenen Blutgarth mit einem Feuersturm zu bezwingen. Auch wird berichtet, wie sie die Gabe besaß, u.a. durch Kraft der Magie Nahrung aus dem Nichts zu erschaffen oder die Herrschaft über Schlangen zu erlangen.

Tredai wird mit langem schwarzem Haar, schwarzen Augen und bewaffnet mit einem Dolch beschrieben. Er habe dem Volk der Gorguaren angehört.

Berichtet wird von einem Stoßgebet Tredais an Gowezuiar.

Nachdem Yalia den Cas Casan bezwungen hat, sei es ihr mit Hilfe von Magie gelungen, ihren Verlobten zurück ins Leben zu holen und mit ihm noch viele Jahre zu verbringen.

 

Dendaran Szemanto „Mythos und Wahrheit. Was wir über Gorgua und die Gorguaren wirklich wissen.“ 57 n.S.N. Gedruckter Quarto von 80 Seiten.

Die Hexe von Borian

„Dies aber ist die wahre Geschichte von der »Hexe von Borian«, ihr, die das Reich auf Jahrhunderte ins Chaos stürzte.

Es war da der Caiser Eraim, der war Wissender der Alten Mysterien und hatte wohl mehr Bücher als jeglicher anderer seiner Zeit gelesen, kannte all die Tabellen und Sterne, die es zu kennen galt.

Ihm fehlte aber das Wissen um ein ewiges Leben, so entschloss er sich, einen Bund mit der Weltenhexe Yramis und Mutter der Shýa zu schließen, um bei ihr die letzten Mysterien zu ergründen.

Es war aber die Zeit der Dreiersonne und Yramis stieß einen furchtbaren Sang zum Himmel empor, der enthüllte dem Caiser, auf was er sich eingelassen und erfüllte sein Herz mit Schrecken.

Da wusste er, er würde wiedergeboren als Hüterin des Schlüssels in der Stadt der Goldenen Tore, als Wandernder des Allsehenden Auges in den Sümpfen des Fernen Herrschers und als sein eigener Henker und Schreckgespenst, wenn die schweigende Krone aus Stahl emporsteige, um die Feurige Düsternis zu entfachen.

Da fluchte er der Hexe und hieß sie eine Widerliche und Verschlagene, sie aber gebot dem Caiser zu schweigen, denn sein Wille sei geschehen, nun sei es an ihm, ihr den Tribut zu zahlen. So ergriff sie Besitz von seinem Körper und Besitz von Gvynda, seiner Tochter.

Es war aber der lauernde Fluch des Dreiergestirns, den sie auf das Erste Haus legte.“

 

Unbekannter Autor im Fehdemond 33 n.S.N. Nachgedruckt im „Borianer Kurier“, Heft 165 vom Wassermond 34 n.S.N., S. 3.

 

„Die Hexe von Borian

(Lehrhaftes Schaustück in drei Akten)

 

Die Personen

Kaiser Eraim I. (Hauptspieler der 3 Akte)

 

Diener (Nebenspieler des 1. Aktes)

Geist eines Toten (Nebenspieler des 2. Aktes)

Sklavinnen (Begleiterinnen des Hauptspielers im 1. und 2. Akt)

Wachen (Nebenspieler des 3. Aktes)

Yrammis (Nebenspielerin des 1. und 3. Aktes)

 

Chronist. Der Chronist hat nicht Personencharakter, sondern beschreibt neutral Vorgänge und spricht anstelle der Hauptfiguren.

 

 

  1. Akt

Ort: Thronsaal des Palastes

 

Kaiser von rechts.

Kaiser: Ich heiße Eraim und bin der Kaiser hier. Mein ist die Cavi und ich bin ihrer. Eine weise Frau habe ich an den Hof geladen, um mir die Gestirne zu deuten.

Möge der Sterne Gunst über der noch jungen Cavi schweben.

 

Diener von links.

Diener: Herr, eine Frau ist gekommen, gar lieblich anzuschauen. Sie sagt, Ihr habet nach ihr geschickt.

Kaiser: Wahrlich, dem ist so. Holet sie her. Möge eine Sklavin uns den Wein zum Trunke reichen.

 

Diener ab. Kehrt mit Yrammis zurück. Diener wieder ab.

Yrammis: Ehre Euch, Gebieter der Welt. Wie Ihr nach mir geschickt, so bin ich gekommen. Nennet, was Euer Begehr ist; ich aber werde Euch beizeiten den Lohn nennen, der sich für mich geziemt.

 

Sklavin von links. Reicht den beiden einen Pokal mit Wein. Sklavin ab.

Kaiser: Wollt Ihr mich unterweisen, in der Hohen Kunst der Alchemie? Wollt Ihr mich lehren, den Lauf der Zeiten zu bestimmen, so will ich Euch Euren Lohn geben, wie Ihr ihn verlangt.

 

Yrammis ab. Kaiser ab. Der Chronist kommt von rechts.

Chronist: Wie die Hexe den Kaiser aber lehrte, da vergiftete sie ihm das Herz.

Der Hohe Herr dünkte sich schon bald, er sei Beherrscher der Elemente und bald einem Gotte gleich, nicht sah er mehr sein leidendes Volk.

Gar erbat er sich von Yrammis, ihm die letzten Mysterien zu ergründen, wie er gar ewiglich Leben erlangen könne.

Da schloss er mit der Weltenhexe einen Bund und stürzte das Reich auf unzählig Sonnen in eine tiefe Kluft.

 

Chronist ab.

 

  1. Akt

Ort: Das Kellergewölbe

 

Kaiser von rechts. Zwei Sklavinnen tragen seine Schleppe. Er hält einen gebleichten Schädel in der Linken und legt ihn auf den Tisch. Sklavinnen ab.

Kaiser: Nun ist meine Macht weit gediehen, kann es gar wagen, der Ashanti zu trotzen. Keine Macht der Welt wird mir mehr widerstehen.

 

Er vollführt einige beschwörende Gesten über dem Schädel.

Kaiser: Aì, mêshaiaá véa as-ciáni, agus tillayá!

 

Geist von links.

Geist: Ihr haapt miich geruufen, Heerr. Nennet miir Euren Befeehl!

 

Kaiser erbleicht, zittert ein wenig.

Kaiser: Du magst wieder gehen, Scheckgestalt! Rufen ich tat dich zu erproben meine Macht.

 

Geist ab. Kaiser ab. Chronist von rechts.

Chronist: Des Kaisers Größenwahn aber kannte weder Grenze noch Verstand. Er wagte gar der Hohen zu lästern, doch der Shýa Mutter war nicht mehr ferne.

 

Chronist ab.

 

  1. Akt

Ort: Thronsaal des Palastes

 

Yrammis von rechts. Kaiser von links.

Yrammis: Nun, Kaiser. Die Zeit ist gekommen, dass ich meinen Lohn verlange: Ihr sollt mir mein Geliebter sein, eine Tochter mir zum Wohlgefallen schenken.

 

Kaiser: Was? Einen Lohn willst du? Ist es nicht genug, dass ich dir das Leben schonte? Besser ziehest du in die Ferne, bevor ich einem Yôru befehle, deine Unverschämtheit zu strafen!

 

Yrammis: Siebenfach fluche ich Euch, Kaiser! Ihr sollt wiedergeboren werden als Hüterin des Schlüssels in der Stadt der Goldenen Tore, als Wanderer des Allsehenden Auges in den Sümpfen des Fernen Herrschers und als Euer eigener Henker und Schreckgespenst, wenn die schweigende Krone aus Stahl emporsteigen wird, um die Feurige Düsternis zu entfachen. Möge der Fluch des Dreiergestirns sich auf das Erste Haus legen.

Kaiser: Wachen! Bringet die Zauberin und Verschlagene in den Kerker! Morgen soll sie brennen!

 

2 Wachen von links. Sie führen Yrammis ab. Kaiser ab. Chronist von rechts.

Chronist: Schon am nächsten Morgen leckten die Flammen an Yrammis. Es war aber die Zeit der Dreiersonne, und die Hexe stieß einen furchtbaren Schrei zum Himmel aus, der enthüllte dem Kaiser, auf was er sich eingelassen hatte und erfüllte sein Herz mit Schrecken.

Viele Menschen aber verloren ihren Verstand, denn so schrecklich war sie anzuschauen.

Seit jener Zeit aber lastete der Fluch der Weltenhexe auf dem Ersten Haus.

 

Wisset nun alle, daß jener seine Geistseele verlieren wird, der sich mit einer Hexe verbündet. Auf sieben Leben wird sie ihn strafen, und großes Leid bringt sie über die Welt.

Drum ist es besser, sich mit dem zufrieden zu geben, was die Götter einem gegeben.

Chronist ab.

 

Das Stück „Die Hexe von Borian“ wurde im Alkèramond 34 n.S.N. erstmals auf dem Karolusmarkt aufgeführt und von Resatú Nísain, nach alter Tradition verfasst.

 

 

Die aufgegebene Schlacht

„Die Wudu lebten in den nördlichen Wäldern der Welt, wo sie Weissagung und Prophetie, die Verwandlung ihrer selbst wie auch anderer Wesen erlernten. Dies taten sie solange, bis sie die Schamanen ihrer Heimat an Kunstfertigkeit übertrafen.

Die Wudu kamen mit einer großen Heermacht in das Reich der Borianim, um diesen ihr Reich mit Gewalt zu nehmen. Die Schlacht wurde zwischen ihnen und den Borianim geschlagen, und 77.777 von ihnen wurden erschlagen, darunter auch ihr König, Yaka-Hai von Suban.

Nemakahs Hand wurde in der Schlacht abgetrennt – dies geschah von Telabans Hand. So wurde ihm mit Terdus Hilfe eine goldene Hand angebracht, mit der er genauso gut zugreifen konnte, wie mit seiner Alten. Dies geschah mit Dank an die Göttin.

Bald überfielen die Wudu die Stadt ein zweites und ein drittes Mal, doch wurden sie beide Male zurückgeschlagen. Als die Waldbewohner die Sumpfbewohner aber ein siebtes Mal schwer bedrängten, da gaben die Borianim nach und erklärten sich bereit, den Wudu einen Tribut zu zahlen. Dieser hatte die Höhe von zwei jungen Männern und Frauen, zwei Kühen und einem Ochsen sowie drei Bottichen mit Dattelwein, und diesen Tribut entrichteten die Borianim von da an für drei mal sieben Götterläufe.“

 

Mirhabena Walorna: „Die Schlacht von Borian und ihr unrühmliches Ende“, 66 v.S.N. nach einem verschollenen Manuskript aus der Zeit um 900 v.S.N. Walornas Fassung befindet sich im Besitz ihrer Enkelin Yalia Walorna.

 

 

 

Eine Tributzahlung an König Yagotar

„Dreimal sieben Kühe, sieben Ziegen, sieben Sklavinnen, fünf Sklaven, fünf Kinder, zwei Bottiche mit Palmöl, drei Stein Datteln, zwei Körbe mit Schildplatt, drei Lagen Palmbast sowie drei Bündel Frauenhaar sind König Yagotar zum Ablauf des nächsten Mondes zu erbringen. Von den Geistern bestimmt ist die folgende Tributzahlung nach Ablauf von sieben und drei Monden.“

 

Der Text dieser Weisung an Teliani Yagotars Untertanen unterscheidet sich lediglich in der außergewöhnlichen Höhe der Abgaben von anderen fast gleichlautenden Tributforderungen. Eine zeitliche Einordnung über die Regierungszeit des Teliani hinaus ist bisher nicht gelungen.

 

Von Königin Numi Celes Ende

„Zur Zeit der frühen borianischen Herrscher wurde auch Numi Cele geboren. Wie es heißt, war die Königin von göttlichem Geschlecht und demzufolge eine äußerst gebildete Frau. In ihrem Palast habe es zu jeder Zeit sieben mal sieben Dichter und drei mal drei Zauberer gegeben, die sie mit ihren Künsten erfreuten.  Auch sie selbst war eine begnadete Dichterin, und die jungen Prinzen schmolzen dahin wie ein Stück Butter unter der Sonne, sobald sie ihre liebliche Stimme und die wundersamen Verse zu Gehör bekamen. Es heißt, selbst die Vögel hätten ihren Atem angehalten, um Königin Numi Cele zu lauschen.

Unter den Borianim erregt solche Kunstfertigkeit aber üble Laune. So wandte sich eine junge Prinzessin der nördlichen Borianim an die Dunkle Göttin und bat diese um der Königin Tod, denn wie eine verstimmte Leier klangen ihr die Verse der Königin in den Ohren und nimmer wollte ihr gefallen, daß eine andere Frau schöner dichten könne als es  ihr vergönnt war.

Baltésa aber dünkte sich einen schwerwiegenden Gefallen für ihren Fluch aus: die junge Prinzessin solle fortan in jeder Vollmondnacht zu einer Dienerin Baltésas werden und gleich dieser auf die Jagd nach unbotmäßigen Menschen gehen. Auch sollte die junge Prinzessin nie wieder Glück in der Liebe beschieden sein: sobald sie mit einem Manne den Beischlaf vollzogen hatte, sollten dessen Leib und Seele der Dunklen Göttin anheimfallen. Dies war der Kontrakt, der Numi Cele das Leben kostete.

Einmal wollte die Königin mit ihren Dienerinnen all ihre Untergebenen aufsuchen, um ihnen den königlichen Schutz auch für das kommende Jahr angedeihen zu lassen. Da ergriff sie auf einmal die unstillbare Lust, sich der Dichtkunst zu widmen.

Gerade in diesem Augenblick kamen drei Knaben des Weges, gewandet in Tuniken von siebenfacher Farbe und mit schmückenden Gürteln aus Menschenhaut. Wie sie aber die Königin singen hörten, wurden sie von dem Willen der Dunklen Göttin erfüllt und fielen über die Königin und ihre Gefolge her. In dieser Stunde fanden die Königin und alle ihre Begleiterinnen bis auf eine ihr Ende. Lediglich Semina, die klügste unter ihnen, wusste um den Zauber, der den Werwölfen das Töten verbietet. So ließ sie sich mit einem lauten Schrei in den nahen Sumpf fallen, um sich im Schlick des Mysob zu suhlen. Dort kam sie erst nach dem Tode ihrer Herrin und Gefährtinnen hervor, um den im Palast hinterbliebenen die schreckliche Mär zuzutragen.“

 

„Die Sage von Numi Celes Tod“ wie sie in zahlreichen Varianten schon seit einigen hundert Götterläufen verbreitet wird. Dieses ist die erste Niederschrift der Sage durch Tain Juldanatha aus dem Jahre 39 n.S.N.

 

Osans Brautwerbung

„Als die Welt noch jung war, hatte der Knochengesichtige die Freude an der Herrschaft über seine Hallen verloren. Ein Gefühl, das er niemals zuvor gekannt hatte, hatte sein Herz ergriffen: die Einsamkeit. Nun war Osan nicht alleine in seinem Reich, doch einzig unter Toten und Sterbenden dünkte er sich, verlassen zu sein.

Zu dieser Zeit war Yalia die Schönste unter den Frauen auf Deren, und Yalia lebte allein mit ihrer Mutter in einer kleinen Kate bei Osania, gerade dort, wo sich der Eingang zu Osans Hallen befindet.

Als Osan sich also in seiner Einsamkeit aufmachte und seine Hallen verließ, da kam er auch an Yalias Kate vorbei. Schon oft hatte er diesen Weg genommen, dem Mädchen aber keine Beachtung geschenkt. Diesmal aber war alles anders.

Der Gott erblickte schon von Ferne Yalias schwarzglänzendes Haar und ihre obsidianfarbigen Augen in dem lieblichen Gesicht voll anmutiger Blässe. Da wusste der Gott auf einmal, was Liebe war.

Es trug sich aber zu, daß zu dieser Zeit ein großer Jäger in Osana lebte, Tredai mit Namen, der schon seit längerem um Yalia freite und gerade in diesem Augenblicke den begehrten Augenaufschlag von Yalia und ihrer  Mutter erhalten hatte.

Dies war aber ein Wissen, das Gott Osan so nicht akzeptieren konnte und wollte, weshalb er einen Zauberbann auf Yalia sprach, dass sie nur ihn lieben solle. Wie es nun einmal ist, hatte der Knochenmeister nur leidlich Erfahrung mit solcherlei Zauber, weshalb der Zauber nach dreimal sieben Tagen seine Wirkung ins Gegenteil verkehrte. Hatte Yalia den eifersüchtigen Gott für dreimal sieben Tage zum glücklichsten Wesen gemacht, das man sich vorzustellen vermag, so hatte sie darauf nur noch Hass für den Gott über und schenkte ihre ganze Jugend und Frische hingebungsvoll Tredai. Da begann auch jener den faulen Zauber des Knochenmeisters zu durchschauen und ersann sich eine List, um einen weiteren Zauber gar nicht erst wahr werden zu lassen.“

 

Leider ist die vollständige Fassung dieses Textes nicht bekannt. Es gibt jedoch Hinweise in verschiedenen Schriften, die darauf schließen lassen, daß es tatsächlich eine Langfassung dieser Sage gab. Diese Fassung wurde von Tain Juldanatha 43 n.S.N. aus dem Urboriani übersetzt und befindet sich zurzeit im Besitz der BNB.

 

 

 

Die Silbenschrift des Urboriani

„Anders als allgemein angenommen, handelt es sich beim frühen Urboriani um eine reine Silbenschrift. Exemplarisch sei hier auf die Verwendung der Silben –mi-, -al- und –an- eingegangen, deren geballtes Auftreten in urborianischen Wörtern gerade diese Auswahl rechtfertigt.

Die Silbe mi kommt in urborianischen Wörtern entweder in Mittel- oder in Finalstellung (z.B. dicogami, thomi, cimitere) vor, wobei letztere deutlich überwiegt. Ursprünglich findet sich die Silbe einzig in bereits yalánatischen Wörtern, deren Silben auf der Sequenz Konsonant-Vokal aufgebaut sind, z.B. bolimini, cemi oder tidimami. In einer zweiten Phase erlaubte das Urborianische die Kombination –mir bzw. –miar am Wortausgang (z.B. nalomir, cemiar), womit ein grundlegender sprachlicher Wandel vollzogen worden war. Scirimi ist darüber hinaus ein Wandel für Veränderungen im urborianischen Anlaut, während sich diese Mutation nur auf die schriftliche Niederlegung des Wortes, nicht jedoch auf seine sprachliche Ausdrucksform erstreckt: sci/ri/mi sind auch hier drei Silben nach bereits yalánatischem Muster. Besonders häufig findet sich die Silbe –mi- als Bestandteil des urborianischen Duals, wie er bei der Zählung von Herrschernamen gebraucht wird. Die Silbenlehre erweist sich hier einmal wieder als Garant für die urborianische Herkunft dieses Duals.

Die Silbe al ist ihrer Herkunft nach eindeutig nicht-yalánatisch, muß jedoch schon in früh-urborianischer Zeit erstmals aufgetreten sein wie von Juldanatha erst kürzlich eindrucksvoll belegt wurde. Anders als etwa mi, findet man al nicht am Wortende. Als Präfix wiederum ist er sehr wohl zahlreich vertreten (z.B. alsui, ala, ale, ali), scheint jedoch nicht überwiegend die neuborianische Konnotation von Wasser oder Holz zu besitzen, wenngleich ein Wortklassenpartikel a- für Bäume und Körperteile existierte. Vielmehr finden wir hier ein ganz unspezifisches Wortbildungselement, das sowohl in Vokal-Konsonant wie auch in Konsonant-Vokal-Silben vorkommen mag. Siehe dazu Beispiele wie althail, malomair oder thialle.

Wohl keine andere Silbe ist so prägend für alle Stufen des Boriani wie die Silbe an. Das Aufeinandertreffen von Konsonant auf Vokal charakterisiert sie außerdem eindeutig als urborianisch und nicht etwa yalánatischen Ursprungs.

Wiewohl an nur sehr selten im Wortanlaut (an, ana, anandi) zu finden ist, so handelt es sich hier wohl um die häufigste Finalsilbe bei der Bildung urborianischer Wörter, wobei hier die maskuline Prägung alt- und neuborianischer Substantive noch nicht ausgebildet ist. Da das Urboriani lediglich in seinen späten Ausprägungen ein »natürliches Geschlecht« kennt, kann an nicht als ein geschlechtsspezifischer Finalpartikel definiert werden. Weiter ist bereits im Urboriani die Unterscheidung zwischen á und a respektive án und an bedeutungsunterscheidend ausgeprägt. Wichtig ist auch die Beobachtung, daß an nicht immer eine vollständige Silbe ausmacht, vgl. z.B. Wörter wie bathlanca, pang oder panha. In pang etwa besitzt an fast schon nasale Qualität. Oft folgt an erst auf den ersten Buchstaben eines Wortes, so z.B. pancaho, than, oder yanhbórigavi. Damit übernimmt an auch jedes Mal silbenbildende Funktionen. Auf Vokale folgt an ausschließlich in den Kombinationen ean, ian und uan, dies jedoch in zahlreichen Beispielen wie etwa seantloair, giriano oder suantle. Charakteristisch für die Stellung des an in urborianischen Wörtern ist aber weiterhin die Folge Konsonant-an. Siehe z.B. Wörter wie motslanca oder thíltanu

Charakteristisch für das Urboriani sind auch die Lautfolgen ana (z.B. gorguana, ana, anandi oder mogolvana), ang (z.B. barbangdumelang oder pangir) bzw. ani (z.B. bogolvani, dumanir oder leguani) – meist am Wortende, gelegentlich aber auch als Infix im Innern eines urborianischen Wortes.“

 

 

„Über die lautliche Struktur des Urboriani und ihre Bedeutung für die kultische Forschung in Borian. Exemplarische Studie zur Mehrung des Wohles der Borianim“ von Alberto Fredarcarno. Octavo von 44 n.S.N.

 

Über die Silbe „ti“ und ihre Bedeutung

„In heutiger Zeit beschäftigt uns die Silbe ti vor allem als Bestandteil des Namens der Hohen Herrin Ashanti, d.h. der Göttin in Ihrer zweiten Inkarnation. Zahlreiche Wörter des Urboriani beinhalten bereits dieses Kernelement Ihres göttlichen Namens, wobei sie jedoch in vielen Fällen nicht als Suffix ein Wort beenden (z.B. moruti, tidimani), sondern als Affix ein solches beginnen (z.B. tina, tintha). Niemals jedoch steht die Silbe ti als Infix in der Wortmitte. Daran erkennt man klar und eindeutig den Zusammenhalt, den die Göttin mit Ihrer Heiligen Silbe zu geben weiß.

Ursprünglich muß ti als klassenbildender Wortpartikel angesehen werden, der eine Gruppe von Begriffen zusammenfasste, die mit dem Göttlichen und Emotionalen zusammenhingen. Noch heute erkennen wir dies klar an Worten wie tintha „das Herz“ oder moruti „der Lehrer oder Geweihte“, weniger deutlich sogar am Genitivpartikel ti -ar mit dem Belebtes und lebende Wesen zu einer Klasse zusammengefasst werden. Bindeglied in all diesen Fällen ist die Geistseele, die alles Lebende miteinander verbindet und wohl auch in der Hohen Herrin Ashanti seinen Ursprung nahm.“

 

„Das Boriani – die von der Göttin gesandte Sprache. Eine erbauliche Abhandlung“ von Sinja Mamelopan. Octavo von 45 n.S.N.

 

 

 

Von der Ankunft eines Fremden

„Es war während des siebten Jahres seiner Herrschaft als die Fremden aus der Ferne kamen. Ihnen wuchsen nur wenige Haare auf dem Kopf und diese von krankhafter Färbung wie der Pelz eines Tieres. Auch ihr Atem roch faulig, was sich aber mit zunehmendem Aufenthalt in den Sümpfen der Hoffnung änderte. Wie sehr sie auch von uns umsorgt und mit Bildung für ihre Köpfe versorgt wurden, so blieben sie doch die meiste Zeit über griesgrämig und wussten sich nicht zu freuen. Einige von den Fremden packte dann auch schon bald das Fieber, wie es alle Übelsprecher und aus ihrer Heimat Verstoßenen befällt und sie wurden von Osans Dienern ihrer Hoffnung beraubt.

Nachdem die Verbliebenen aber reichlich Zeit in unserem Volk genossen hatten und die anfänglich schlechten Gedanken gottgewollter Hoffnung gewichen waren, besserte sich auch ihr Zustand und sie begannen, mit Worten der Vernunft und nicht mehr wie Tiere zu sprechen. Von nun an war es auch möglich, ihren Worten Gehör zu schenken und sie mit auf die Jagd oder den Fischfang zu nehmen. Wiewohl die krankhafte Färbung ihrer Haare nicht von ihnen weichen wollte, nahm ihre Haut eine doch gesundere Färbung an, weshalb wir annehmen konnten, daß sie auf dem Wege der Gesundung waren. Wie uns die Herrin der Zeit ihre Gunst schenkte, so wurden auch die Fremden mit der Zeit immer bessere Jäger und Fischer. Das große Unglück geschah aber, als eine von ihnen um einen von unseren Knaben werben wollte, während ein anderer ohne Brautgabe das Leben mit einer unserer Töchter zubringen wollte. Da kam es zum Streit, denn eine rechte Kultur war unter den Fremden nicht bekannt, weshalb sie überall beträchtlichen Ärger verursachten. Dies führte nun zu den bereits genannten Ereignissen und zur Vertreibung der Eindringlinge und zur Aufgabe ihrer Hoffnung.“

 

„Curiosa Brabacia – Kurioses und Seltsames aus den Überlieferung des brabakischen Volkes von der ältesten Zeit bis in unsere Gegenwart“ von Derando Dorigo Dalvaréz de Sijak; etwa 20 Exemplare in aus der Zeit um 5 n.S.N.

Urborianische Geschichte und Geschichten

nairn d’arrachtairar gorguair

pai tretaji u thêrair ti mataalle atajam thi pai yaliarnica u haji ti majiar. arrachtair u govetsuighalle vîrálo nalthallashasta mata meth yagha sáricairo. thi pai yaliar bomenara legho cithota. pai yaliar lovialle njuam meth haji ti majiar mata thi mata njaniraía meth arni d’inthairar meth trang thialle athair. alimua soru gálathasa suchan salan alavilm mata nyarádilm. java thêrboir pui lengosha ti gálathar.

 

inu njui di pagara soru. gárethe u citho havialle ciana u era leboiro gálathasta mata yaniraía di hani cimitera u era.pai yaliar rir citham. pathao meth gárethe u citho saro jatha u tina. di celanica meth mai javiana mata scirimi.

pai yaliar majacam meth loloi hanialle ducui u momoi mata di javao meth pai ceas ceasan hanialle mai mosan.

di coiara meth pai tretaji hanialle thêrair ti mataar meth vîri u loi.

„Tredai Aufmerksamkeit-zu-ihm wartet auf Yalia die ihm Zugesprochene. Das Ungeheuer Gowezuiar-zu-ihm steigt aus dem Wasser und erwürgt den Jüngling. Yalia findet die blutleere Leiche. Yalia Lavian-zu-ihr sieht den ihr Zugesprochenen und greift sich die Waffen ihrer Mutter und den Trank Vater-zu-ihr. Sie reist durch den Sumpf, wo Seestelzer und Nachtschleimer häufig sind. Ihr Dolch tötet die Sumpfharpye.

Sie geht nur kurz. Aus dem Sumpf steigt ein Blutgarth vier-Arme-zu-ihm und zeigt seine vier Cimeterren. Yalia blutet viel. Ihr Feuersturm bezwingt den Blutgarth. Sie betet an Javiana, die Sumpf- und Totengeister.

Yalia heilt den Magier Dämonenpocken-zu-ihm und tötet den Cas-Casan Osan-zu-ihm. Sie gibt Tredai Aufmerksamkeit-zu-ihm neues Leben.“

nairn lecgethair ti bathlanga

1 (1) di rian u nuthair ba altha u giriana le
gorghala dianho meth giriana u moro. (2) di cemair comagharo di meth rian u nuthair althail u metsil le thanil u molil. (3) ba gorghar u duman thian numogho meth di movandi ti rianar u nuthairar bapaho meth pula meth mothlangale ti rianar u nuthairar. (4) ba thiltanu bapaho bogadina rianale u nuthairale meth pula thi meth mothlanghar ti rian u nuthair.

 

Die Erzählung von den Tributzahlungen der Untergebenen des Königs

1 (1) Die Königin (oder: „die Frau des Königs“) und ihr Favorit [des Jahres] zelebrierten die alljährliche Heilige Hochzeit. (2) Cemair [oder: „die Erde“] schenkte der Königin [oder: „der Frau des Königs“] neues Leben [ein Kind?] und neue Zauberkraft [für das kommende Jahr]. (3) Er, aus dem die Welt ihren Anfang nahm, machte den Tod [Trockenzeit?] aufgrund ihres [i.e. der Königin] rückgängig und schenkte ihren Untergebenen seinen Segen [oder: „Regen“]. (4) Víltanus Brautgabe an die Königin [oder: „die Frau des Königs“] war [neues Leben spendender] Regen [oder: „Segen“].